Hochwasserereignisse
Wie das Wetter wird – das beschäftigt Menschen seit vielen Jahrhunderten. Schon lange gibt es Mittel und Wege, um das Wetter vorherzusagen oder auch um bestimmte Phänomene zu erklären. Ende des 19. Jahrhunderts begannen die Menschen Systematiken zu entwickeln, die halfen Wetterlagen in Europa zu ordnen. Eine dieser Systematiken stammt von Wilhelm Jacob van Bebber. Er unterschied die Wetterlagen danach, wie Tiefdruckgebiete ziehen. Heute ist von dieser Überlegung die Bezeichnung Vb-Zugbahn geblieben. Vb steht für „fünf-b“. Die Bezeichnung beschreibt die Zugbahn eines Tiefs vom Golf von Genua über Österreich nach Tschechien und Polen. Diese Wetterlage beginnt meist mit der Bildung eines Genua-Tiefs. Es kann sich besonders gut entwickeln, wenn kalte Luftmassen über Westeuropa in den Golf von Genua und somit über das relativ warme Mittelmeer ausbrechen. Diese Tiefs ziehen häufig mit der Höhenströmung auf der beschriebenen Zugbahn nach Nordosten.
Das Besondere an diesen Vb-Wetterlagen ist, dass sie mit größeren Niederschlagsmengen verbunden sind. Im Winter fallen diese eher harmloser aus. Das liegt daran, dass die im Winter kältere Luft sehr viel weniger Wasserdampf aus dem Mittelmeer aufnimmt. Vor allem im Sommer aber kann eine Vb-Wetterlage zu starkem Regen und damit auch zu Hochwasser führen.
Eine Auswahl der schlimmsten Hochwasser-Ereignisse in unserem Amtsbezirk
1899 Jahrhunderthochwasser
Traun
Im September regnet es tagelang sehr ergiebig. Grund ist ein großräumiges Tiefdruckgebiet. Es reicht von Nordafrika bis zum Baltikum sowie von den Westalpen bis zum Schwarzen Meer. In der Folge bilden sich Niederschläge. In der Spitze fallen mehr als 500 Millimeter Regen pro Quadratmeter auf eine Fläche von mehr als 10.000 Quadratkilometern. Die Pegel steigen. Auch die Traun schwillt an. Traunstein, das innerhalb der Traun-Schleife liegt, trifft das Hochwasser vor allem in den beiden Ortsteile "Au" und "Wiese". Der Veitsgraben verwandelt sich in einen reißenden Fluss. Das Hochwasser ist so stark, dass die erst 1896 und 1897 errichteten Dämme und Deiche nicht standhalten. In den überfluteten Stadtteilen müssen die Menschen per Boot mit Lebensmitteln versorgt werden.
Salzach
Schlimme Folgen hat das Jahrhundert-Hochwasser ebenfalls für die Anrainer der Salzach. Eine Schautafel im Burgmuseum Tittmoning erinnert daran – mit einer Ansicht der Stadt Salzburg und ihren überfluteten Gärten und Straßen. Der Europasteg, der den österreichischen Ort Oberndorf und die Stadt Laufen auf deutscher Seite verbindet, erinnert letztlich an dieses schlimme Hochwasser: Die 131,2 Meter lange, länderübergreifende Brücke für Fußgänger und Radwege ersetzt die Holzbrücke, die das Hochwasser im Jahr 1899 weggerissen hatte. Auch ein erster Ersatz an anderer Stelle, von der Laufener Unterstadt zur Altach, wurde Opfer der Fluten. Das war im Jahr 1920. Daraufhin entschieden sich die Planer, an die alte Stelle zurückzukehren – und bauten dort, wo heute der Europasteg zu finden ist.
1954
Das Hochwasser im Juli 1954 entsteht durch langanhaltenden Regen: Rund bis 70 bis 90 Stunden regnet es beinahe ohne Unterlass. Die Böden sind gesättigt von Wasser, denn auch Ende Juni hat es bereits ergiebig geregnet. Das Landesamt für Umwelt (LfU) Bayern meldet, dass rund 150.000 Hektar Land überschwemmt werden, davon allein 51.286 Hektar in Oberbayern. Laut LfU sterben in den Fluten bayernweit zwölf Menschen, mehr als 9000 müssen evakuiert werden. Die Schäden in der Landwirtschaft, in Gewerbe und Industrie, an Gebäuden und Infrastruktureinrichtungen gehen in die Millionen. Im Amtsbezirk trifft es unter anderem die Gemeinde Piding (Landkreis Berchtesgadener Land): Bei einem Pegel von 3,34 Metern tritt die Saalach über die Ufer. Doch nicht nur sie führt zu viel Wasser, auch alle anderen Flüsse, Bäche und Seen im Landkreis schwellen an. Dämme brechen, Tiere verenden. Die A8 wird über- und unterspült. In Tittmoning (Landkreis Traunstein) reißt der Salzachdamm ein. Häuser werden überflutet. Schwer betroffen ist auch der Landkreis Altötting: Mörnbach und Sickenbach treten über die Ufer und vereinen sich zu einem großen See. Die Isen bei Winhöring bricht ebenfalls aus ihrem Flussbett aus. Straßen sind nicht mehr passierbar. In den Salzachauen bei Raithenhaslach müssen die Menschen aus ihren Häusern evakuiert werden. In Burghausen nimmt das Hochwasser der Salzach ebenfalls bedrohliche Ausmaße an.
2002
Starke Regenfälle überfluten die Traunsteiner Unterstadt.
2005
Bereits Anfang August kommt es immer wieder zu Regenfällen. Im letzten Drittel des Monats führen außergewöhnlich hohe Niederschläge zu extremem Hochwasser und zu weiträumigen Überschwemmungen. Intensive und anhaltende Niederschläge lassen die Flüsse in den Alpen außerordentlich schnell ansteigen. Besonders betroffen sind in unserer Region die Flussgebiete der Mangfall und des Inn. Bayernweit sind rund 28.000 Hektar Fläche überschwemmt. Der ökonomische Schaden wird auf insgesamt 189 Millionen Euro geschätzt. Schäden im Wert von circa 70 Millionen Euro entstehen an privaten und wirtschaftlich genutzten Gebäuden. Weitere jeweils 50 Millionen Euro an Infrastruktureinrichtungen der Gemeinden sowie an den Gewässern und Wasserbauten des Freistaates und der Bezirke. In der Land-, Forst- und Almwirtschaft belaufen sich die Schäden auf circa 14 Millionen Euro. An den Einrichtungen der Wasserversorgung summieren sie sich auf rund drei Millionen Euro.
2013
Im Mai sind die Regenfälle in der Region so stark, dass die Böden das Wasser sehr bald nicht mehr aufnehmen können. Es kann nicht mehr versickern und fließt sofort ab. Hochwasser ist die Folge – mit verheerenden Folgen. Etwa bei Staudach im Landkreis Traunstein: Dort bricht der Deich an der Tiroler Achen. Die nahe gelegene A8 wird in diesem Bereich überflutet. In Tittmoning sorgt das Hochwasser für massive Schäden in der Wasservorstadt. Im Landkreis Berchtesgadener Land ist die Stadt Freilassing besonders hart betroffen. Einigermaßen glimpflich kommt dagegen die Stadt Traunstein davon. Weil der Hochwasserschutz dort bereits gut ausgebaut ist, bleibt zumindest die Unterstadt trocken. Einige Keller im Stadtgebiet laufen aber voll.
2020
Dauer- sowie Starkregen verursachen im August ein größeres Hochwasser, das fast ausschließlich das Gebiet von Isar und Inn betrifft. Hier treten an insgesamt 47 Pegeln Überschwemmungen mindestens der Meldestufe 1 auf. Überschwemmungen der Meldestufe 3 gibt es nicht nur an kleineren Zuflüssen, sondern auch an großen Flüssen wie der Unteren Isar, dem Inn, der Mangfall und an der Donau in Passau. Am stärksten ist die Mangfall mit Meldestufe 4 betroffen. Besonders stark führen im Amtsbezirk die Alz, die Kleine Sur sowie die Stoißer Ache Hochwasser.
Die B304 zwischen Traunstein und Surberg wird überflutet, auch andere Straßen sind betroffen.
2021
Im Juli 2021 sorgt tagelanger Starkregen für den Katastrophenfall. So heftig sind die Überflutungen, dass ganze Ortsteile in den Gemeinden Bischofswiesen, Marktschellenberg und Berchtesgaden überflutet werden. Menschen müssen evakuiert werden – einige Häuser bleiben unbewohnbar. Die Wassermassen überfluten Straßen, unterspülen sie. Vielerorts brechen Teile der Fahrbahnen ein. Besonders betroffen sind die B305 und die B20. Von einigen Bergen gehen Muren ab, Wildbäche treten über die Ufer, reißen Geröll und Totholz mit sich. Ein Murenabgang vom Grünstein zerstört den oberen Teil der Bob- und Rodelbahn in Schönau am Königssee.